website under construction

Kurze Geschichte des Straßenbahndepots

Der ehemalige Straßenbahnbetriebsbahnhof X in der Belziger Straße 52/58 ist ein Denkmal aus der Frühphase des Berliner Nahverkehrs. Das Grundstück mit ca. 15.900 mist heute denkmalgeschützt. Die Geschichte beginnt mit Werner von Siemens, der ab 1881 in Lichterfelde im Süden Berlins mit dem Probebetrieb einer elektrisch betriebenen Straßenbahn experimentierte. Mitte der 1890er Jahre bis 1902 erfolgte die Elektrifizierung des gesamten Straßenbahnnetzes, das bisher von Pferden angetrieben wurde.

In diesem Zuge entstanden insgesamt acht neue Betriebsbahnhöfe für die Große Berliner Straßenbahn AG, so auch in der Belziger Straße in Schöneberg. Berliner Oberingenieur Joseph Fischer-Dick verantwortete die Pläne für das 1898–1900 errichtete Straßenbahnbetriebsbahnhof X. Der einstöckige Backsteinbau ist als dreischiffige Halle mit großem Vorplatz im Süden gestaltet.

Der Bau war von Anfang an mehr als ein simples Straßenbahndepot. Die Architektur steht für den Aufbruchsgeist einer werdenden Großstadt und prägte das im Werden begriffene Wohnviertel – Elektrizität, Mobilität und technischer Fortschritt hatten Identität stiftende Funktion.

Die südliche Frontfassade mit den breit gelagerten Satteldächern ist durch bekrönte Pfeiler gegliedert und durch ein Rundbogenfries an den Giebelgesimsen geschmückt. Sie ist durch insgesamt 24 Rundbogentore geöffnet, um einen reibungslosen Verkehr der über 270 Straßenbahnen zu ermöglichen, die hier Platz finden konnten.

Auf dem ca. ca. 2.000 m2 großen gepflasterten Vorplatz befand sich ein Wald aus ikonischen Straßenlaternen, die nur teilweise erhalten blieben sowie Gleise und Weichen, die heute als Teil des Areals ebenfalls denkmalgeschützt sind. Eine niedrige Backsteinbalustrade mit Eisenzahn grenzte das Tramdepot von der Belziger Straße ab. 

Die Westfassade an der Gothaer Straße stellt sich als eine Reihung von paarweise gekoppelten Segmentbogenfenstern dar, die zusätzlich durch Pfeilervorlagen und ein abschließendes Gesims mit abstrakt-stilisiertem Zahnschnittfries gegliedert ist. Insbesondere die großformatigen Fenster mit Stahlrahmen und den niedrigen Brüstungen zeugen von der Modernität des Baus. Die Fenster sorgten, wie die großen Oberlichter auf den Dächern für eine gute Belichtung im Inneren und leuchteten nachts. An der Ecke Belziger- und Gothaer Straße ist zudem ein bauzeitliches zweigeschossiges Betriebsgebäude, die früher für Verwaltung, Werkstätten, Geräteschuppen, Dienstwohnungen, Aufenthaltsräume genutzt wurde.

Im Inneren zeigten sich die Hallen durch die Fenster und Oberlichte hell, licht und durchaus modern. Die drei Schiffe waren jeweils stützenlos von flachen Dächern mit Fachwerkbindern überspannt und sorgen für ein frei fließendes Raumkontinuum.

Trams raus, Polizei rein

Die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg überlebte das Straßenbahndepot weitgehend unbeschadet. Erst die Teilung Berlins stellte den Bau in Frage, denn mit der Abschaffung des Tramverkehrs in West-Berlin 1964 verlor auch der Straßenbahnbetriebsbahnhof X seine Funktion.

Nach einem Umbau zog 1966 die Polizei mit ihrem Fuhrpark ein und nutzte die Hallen für die Verwahrung sichergestellter Fahrzeuge. Dafür entstanden östlich der Hallen eine elegante Tankstelle vor dem östlichen Schiff 1971 eine Betonkanzel, die circa ein Meter über dem Boden zu schweben scheint. Sie dient als Empfangshaus. Im Inneren wurden Brandwände zwischen Hallenschiffen eingezogen und Montagegruben aufgefüllt. Die Nordfassade an der Wartburgstraße wurde im Zuge die ursprüngliche Gliederung durch neue Fensteröffnungen sowie Türen verändert.

In dieser Zeit wurden im Tramdepot durch das Landeskriminalamt Fluchtautos präpariert, die aus der DDR geflüchtete Menschen von West-Berlin „rüber“ in die Bundesrepublik brachte. 

Nach mehreren Einbrüchen mit dem Ziel, Beweismittel in den verwahrten Fahrzeugen zu vernichten, befindet sich seit einigen Jahren an der Mauer der Belziger Straße und im südlichen Teil der Gothaer Straße ein martialisch anmutender Stacheldrahtzaun. Das Sicherheitsbedürfnis der Polizei hat das Tramdepot in einen Ort verwandelt, der nicht mehr positiv vom Fortschritt einer Großstadt erzählt, sondern sich zum Außen abschottet und zum Weitergehen auffordert.

Alexander Stumm

Literatur
Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Denkmale in Berlin. Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg, Petersberg 2018.